Adam und Evelyn
Der Roman Adam und Evelyn von Ingo Schulze greift auf den ersten Blick vertraut klingende Namen auf, die sofort an das biblische Paar Adam und Eva erinnern.
Diese Anspielung ist keineswegs zufällig, sondern eröffnet einen literarischen Raum, in dem alte Symbole und moderne Lebenswelten ineinander übergehen.
Während Adam und Eva im biblischen Mythos für den Beginn der Menschheitsgeschichte, für Unschuld, Versuchung und den Verlust des Paradieses stehen,
verlagert Schulze die Figuren Adam und Evelyn in eine späte Phase der DDR, kurz vor dem Mauerfall.
Damit wird eine Brücke geschlagen zwischen der uralten Erzählung vom Paradies und der sehr konkreten historischen Erfahrung einer Gesellschaft,
die sich in Auflösung befindet und deren Bewohnerinnen und Bewohner nach einem Neuanfang suchen.
Adam ist im Roman Schneider, ein Handwerker, der durch seine Fähigkeit, Kleidung zu schaffen und anzupassen, symbolisch für das Gestalten von Lebensumständen steht.
Evelyn hingegen verkörpert den Drang nach Veränderung und die Sehnsucht nach Freiheit. Ihre Reise in den Westen wird zu einer modernen Version des Aufbruchs, vergleichbar mit der Vertreibung aus dem Paradies.
Nur ist das Paradies in diesem Fall nicht der paradiesische Garten, sondern die vermeintliche Sicherheit und Stabilität des Lebens in der DDR, die allerdings längst von Rissen und Begrenzungen durchzogen ist.
Die Entscheidung, diesen Schutzraum zu verlassen, ist gleichzeitig ein Schritt ins Ungewisse, ein Wagnis, das Hoffnung und Angst in sich trägt.
Die Parallelen zur biblischen Geschichte zeigen sich vor allem im Motiv der Versuchung.
Im Mythos ist es die verbotene Frucht, die Eva dazu bewegt, die Grenzen zu überschreiten und damit den Lauf der Geschichte unwiderruflich zu verändern.
Bei Evelyn sind es andere Reize – die Aussicht auf Freiheit, die Verlockung des Westens, die Aussicht auf ein Leben, das nicht mehr durch politische Kontrolle und Einschränkungen geprägt ist.
Adam, der im Roman zunächst zögerlicher wirkt, folgt ihr letztlich, ähnlich wie der biblische Adam, der sich Evas Entscheidung anschließt.
Dadurch entsteht ein erzählerisches Echo, das die Figuren aus der DDR-Gegenwart zugleich in die lange kulturelle Tradition der Menschheitsgeschichte einordnet.
Doch Schulzes Werk will nicht einfach die biblische Geschichte nacherzählen, sondern sie in einen neuen Kontext stellen.
Adam und Evelyn stehen nicht für Schuld und Sünde, sondern für die Sehnsucht nach einem anderen Leben, für den Mut, bekannte Strukturen hinter sich zu lassen und einen Aufbruch zu wagen.
Die Vertreibung aus dem Paradies wird zur Metapher für das Verlassen einer Gesellschaftsordnung, die nicht mehr tragfähig ist. So verbindet sich das Private mit dem Politischen, das Intime mit dem Historischen.
Der Roman zeigt, wie stark uralte Erzählmuster bis heute wirken können und wie sie uns helfen, Übergänge, Brüche und Neuanfänge zu deuten.
In diesem Sinne ist Adam und Evelyn ein Werk, das nicht nur von zwei Menschen erzählt, die ihre Liebe und ihr Leben in einer Zeitenwende neu ordnen müssen,
sondern auch von der Kraft von Mythen, die selbst in moderner Literatur und historischen Umbrüchen immer noch Orientierung bieten.
Adam und Eva erscheinen hier nicht als ferne Gestalten einer religiösen Überlieferung, sondern als Spiegel für zeitgenössische Erfahrungen, in denen Fragen nach Freiheit,
Verantwortung und Neubeginn bis heute aktuell bleiben.
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